Künstliche Intelligenz: So setzen Industrie- und Gewerbeversicherungen KI-Techniken ein

Die Digitalisierung ist ein ständiger Begleiter der Versicherungsindustrie – nicht nur im Inneren, auch im Kontakt mit den Kunden. Schlagworte wie „Digital Customer Experience“ sprechen eine deutliche Sprache. War es bis dato vorwiegend der Privatkundensektor, der davon profitierte, erfasst der Wandel auch zusehends den gewerblichen Bereich. Vor allem Industrieversicherer sollen von den Segnungen der Neuzeit profitieren: Die Versicherungsunternehmen greifen zunehmend auf Künstliche Intelligenz (KI) zurück, um ihre Prozesse zu verbessern und die Interaktion mit ihren Kunden auf das nächste Level zu heben.

Der maschinelle Sachbearbeiter

Versicherer agieren mit Daten, angefangen bei Namen und Adressen bis zu Risikoeinstufungen und Schadensmeldungen. Daraus ergibt sich eine Vielzahl ständig wiederkehrender Prozesse, die ein ideales Gebiet für den Einsatz Künstlicher Intelligenz darstellen. Tatsächlich belegt eine Studie der Tata Consultancy Services, dass die höchsten Investitionen in KI in der Versicherungswirtschaft stattfinden – in Zahlen: 124 Millionen Dollar. Dem stehen vergleichsweise bescheidene 70 Millionen Dollar in den restlichen zwölf analysierten Branchen gegenüber. Es ist zu erwarten, dass diese Ausgaben demnächst noch steigen werden.

Fakt ist, dass die Versicherer KI bisher überwiegend im Privatkundensektor nutzten. Laut Branchenexperten kommen intelligente Maschinen nun auch immer häufiger im Bereich Gewerbe- und Industrieversicherungen zum Einsatz. Den Anfang macht die Automatisierung täglicher Prozesse. So lassen sich Versicherungsverträge automatisch abschließen. Doch auch zur Risikoprüfung setzen Versicherer bereits Machine-Learning-Techniken ein. Die Vorzüge liegen klar auf der Hand: Künstliche Intelligenz kann in kürzester Zeit auf zahllose Erfahrungsberichte zugreifen, vergleichen, analysieren und, darauf basierend, eine Entscheidung treffen.

Dieser Trend wird sich nach Meinung der Experten auch im gewerblichen Großkundengeschäft niederschlagen. So nutzt ein großer Versicherungskonzern bereits ein Tool, das mithilfe von maschinellem Lernen besonders hohe Betriebsunterbrechungsrisiken in Lieferketten aufspürt. Das System analysiert große Datenbestände, um zum Beispiel Netzwerke erfolgskritischer Lieferanten in den verschiedenen Wirtschaftszweigen zu identifizieren. So hilft das System das Risiko einer Betriebsunterbrechung zu vermeiden.

Gewinner auf beiden Seiten

Die Optimierung dieser Prozesse verspricht eine bessere Risikoeinschätzung für den Versicherer. So wird eine Betriebsunterbrechung vermieden, die für jedes Unternehmen einen großen finanziellen Verlust bedeutet. Für den Kunden ergäbe sich der Vorteil schnellerer Bearbeitungszeiten. Die Tage, an denen Sachbearbeiter eine Flut von Anträgen bearbeiteten und Verträge spät verschickt wurden, wären damit gezählt. Hinzu käme eine deutliche Kosteneinsparung. Diese stellt wiederum den Schlüssel zu einer günstigeren Beitragspolitik dar.

Ein weiteres vielversprechendes Einsatzgebiet ist die Schadensbearbeitung. Der Kunde wünscht sich eine zuverlässige Leistungspolitik der Versicherer. Dazu zählt auch die rasche Abwicklung von Zahlungen. Ein KI-basiertes System kann Schadensfälle prüfen und bei positivem Ergebnis umgehend eine Überweisung tätigen. Ob und in welchem Umfang dies auch bei größeren Schäden machbar wäre, wird die Zeit zeigen. Fakt ist, dass die meisten Schadensfälle nur kleinere Summen beinhalten. Bei größeren Schäden dürfte es auch in Zukunft einen Gutachter aus Fleisch und Blut erfordern; ein Umstand, der auch anspruchsvollste Kunden nicht stören dürfte.

Kombiniert man diese Ansätze mit einer maschinellen Schadensprüfung, ergibt sich ein weiterer Vorteil für beide Seiten: Versicherungsbetrug könnte eingedämmt werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Versicherer hier und da „ein Auge zudrücken“, weil eine nähere Prüfung zweifelhafter Umstände mehr Geld kostet, als auf den Überweisungsknopf zu drücken. Künstliche Intelligenz ist ein probater Weg, um dieses Problem zu lösen. Das Resultat ist eine Entlastung der Versichertengemeinschaft, die sich ebenfalls positiv auf die Beitragszahlungen auswirken wird.

Der Ansprechpartner, der niemals schläft

Der Erfolg von auf Spracherkennung basierenden Systemen wie Siri oder Alexa hat einen Wandel in der Gesellschaft bewirkt. Der Mensch der Jetztzeit hat weniger Berührungsängste, wenn es um Gespräche mit einer Maschine geht. Sicherlich wird KI den Kontakt von Mensch zu Mensch niemals vollständig ersetzen. Trotzdem gibt es Bereiche im Kundendialog, die von sprachgesteuerter KI profitieren werden.

Gewerbe- und Industriekunden müssen mit ihrer Zeit haushalten. Zahlreiche alltägliche Fälle erfordern eine E-Mail an den Versicherer, die nach einer gewissen Zeit beantwortet wird. Ein sprachbasiertes System kann in vielen Fällen die E-Mail ersetzen und eine sofortige Antwort liefern. Der Vorgang wird im System erfasst, sodass der menschliche Sachbearbeiter beim nächsten Kontakt mit einem Blick die gesamte Kontakthistorie sehen kann. Dies erspart Rückfragen und ermöglicht bessere Gespräche.

Experten gehen davon aus, dass der Einsatz neuer Techniken wie Stimm- und Gesichtsanalyse nur noch eine Frage der (kurzen) Zeit sind. In Verbindung mit dem maschinellen Zugriff auf Kundendaten sind so anwenderspezifische Beratungen möglich. Abgesehen davon, dass es deutlich leichter ist, eine Veränderung in der Versicherungssumme kurz einer Künstlichen Intelligenz mitzuteilen, anstatt zu warten, bis der Vertreter oder Makler Zeit hat, um gemeinsam das entsprechende Formular auszufüllen. Ist der Fall zu komplex, stellt die Maschine eine Verbindung zu einem menschlichen Sachbearbeiter her.

Die Zukunft hat begonnen

Die Einbindung Künstlicher Intelligenz im Bereich der Gewerbe- und Industrieversicherungen hat gerade erst begonnen. Hier ist ein riesiges Potenzial vorhanden. dass die Versicherer zu nutzen bereit sind. Die Zukunft hat begonnen und sie wird spannend sein.